Der Toleranzausgleich am Wickelpin – Innovation im kernlosen Faserwickeln für hochgenaue Faserverbundbauteile
Kurzfassung
Das kernlose Faserwickeln ermöglicht die Herstellung leichter, leistungsstarker Faserverbundkomponenten, leidet jedoch unter Einschränkungen durch bestehende Ankertechnologien. Eine neue Lösung mit Toleranzausgleichs-Elementen am Wickelpin schafft präzise Montageflächen und erweitert die Einsatzmöglichkeiten für Hochpräzisionsanwendungen.
Vorteile
- Geometrisch hochgenaue Faserverbundbauteile
- Minimaler Werkstoffeinsatz
- Spannungsfreie Montage von Faserverbundbauteilen
Anwendungsbereiche
Überall da, wo komplexe und beanspruchte Rahmenstrukturen notwendig sind:
- Luft- und Raumfahrt: ultraleichte Rahmen- und Trägersysteme wie Antennenstrukturen, Satellitenrahmen oder Luftfahrzeugteile
- Automotive: leichten Karosserie- und Fahrwerkskomponenten, Batteriegehäuse oder Antriebsstrukturen
- Maschinen- und Anlagenbau, Automatisierungstechnik: Bauteile mit minimaler Masse, leichte Komponenten für hochdynamische Bewegungen, Tragkonstruktionen für periphere Bauteile (z.B. Kabel- und Schlauchführungen) an bewegten Baugruppen
- Marine: leichte und langlebige Mast- und Rigging-Komponenten sowie robusten, korrosionsbeständigen Elementen für Offshore-Anwendungen
- Logistik: Ladungsträger und modulare, wiederverwendbare Transportstrukturen für effizientere Frachtlösungen
- Energie: Trägersystemen für Photovoltaikanlagen oder andere Energiekonstruktionen
- Sport und Freizeit: leichte und robuste Sportgeräten wie Fahrräder, Rackets, Angelrute, Kajaks oder Drohnen
Hintergrund
Das kernlose Faserwickeln (Coreless Filament Winding, CFW) ist ein fortschrittliches Fertigungsverfahren zur Herstellung von leichten, leistungsstarken Faserverbundkomponenten. Diese Technik ermöglicht durch präzise Ausrichtung von Faserbündeln die Gestaltung maßgeschneiderter Strukturen mit hoher mechanischer Leistung. Einsatzbereiche finden sich in der Luft- und Raumfahrt, im Maschinen- und Anlagenbau, im Bauwesen sowie in der Automobil- und Energiebranche, wo das Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht eine entscheidende Rolle spielt. Anders als bei herkömmlichen Verfahren, bei denen ein formgebendes Kernwerkzeug benötigt wird, arbeitet das kernlose Faserwickeln ohne Kerne. Stattdessen kommen punktuelle Anker zum Einsatz, um die Fasern in einem vorbestimmten Muster zu platzieren. Diese Methode bietet eine enorme Freiheit bei der Gestaltung von Geometrien, ist jedoch durch den aktuellen Stand der Ankertechnologie limitiert.
Problemstellung
Die bisherigen Ankertechnologien stoßen auf mehrere Herausforderungen, die die Einsatzmöglichkeiten und Effizienz des kernlosen Faserwickelns einschränken. Klassische Anker, wie Haken, Nägel oder Hülsen, schränken nicht nur die Flexibilität in der Faseranordnung ein, sondern auch die Ausrichtung bei der späteren Montage. Komponentenpositionen können mittels der klassischen Anker nicht toleriert werden, besonders schwierig ist dies bei hochsteifen Materialsystemen. Insbesondere bei mehreren Schraubverbindungen, welche die Faserverbundbauteile mittels der Anker mit anderen Bauteilen verbinden, kommt es aufgrund der hohen geometrischen Variation bei kernlos gewickelten Faserverbundbauteilen zu Fehlpassungen. Falls der Monteur versucht die Schraubverbindungen trotzdem anzuziehen kommt es zu ungewollten Spannungen im Bauteil. Dabei können die hier meist in drei Dimensionen vorliegenden Geometrieabweichungen nicht auf einfache Weise, wie z.B. durch den Einsatz von Langlöchern bei Schraubverbindungen, kompensiert werden. Dies limitiert den Einsatz von solchen Faserverbundbauteilen für Hochpräzisionsanwendungen in hohem Maße.
Lösung
Durch die Integration eines Toleranzausgleichs am Wickelpin kann eine geometrisch exakt definierte Montagefläche erzeugt werden, die es erlaubt eine Verbindung zu einem anderen Bauteil vollständig spannungsfrei auszuführen. Basis hierfür sind kostengünstige Zusatzelemente die am Wickelpin befestigt werden. Diese ermöglichen die Herstellung genau definierter Kontaktgeometrien durch Bearbeitung mit allgemein verfügbaren Bearbeitungs-Maschinen (z.B. spanender Nachbearbeitung) ohne die eigentliche Faserstruktur zu beschädigen. Die so hergestellte präzise Geometrie ermöglicht den Einsatz von hocheffizienten kernlos gewickelten Faserverbundbauteilen für eine Vielzahl von Anwendungen.

Publikationen und Verweise
Pascal Mindermann und Götz T. Gresser. Adaptive winding pin and hooking capacity model for coreless filament winding. Journal of Reinforced Plastics & Composites, 2023, https://doi.org/10.1177/07316844221094777