Faserverbund-Verankerungsstifte zur Verbindung von mehreren Bauteilen
Kurzfassung
Eine an der Universität Stuttgart entwickelte additive Verbindungstechnik ermöglicht es, Einzelkomponenten mittels faserverstärkter Stifte formschlüssig miteinander zu verbinden, ohne dass dabei Nachbearbeitungsschritte im Herstellungsprozess oder Fremdstoffe im Bauteil erforderlich sind. Dadurch eröffnet die Technologie sowohl in der Verbindung von Einzelkomponenten als auch in der interlaminaren Bauteilverstärkung neue Möglichkeiten.
Vorteile
- Verstärkung von FVK-Bauteilen und -Fügestellen
- Kraftfluss und -übertrag im Verbundbauteil kontinuierlich gewährleistet
- Resistenz gegen Temperaturschwankungen aufgrund von Materialhomogenität in der Verbindung
- Hohe Qualität und Reproduzierbarkeit durch automatisierten Prozess gewährleistet
- Zweidimensionale und dreidimensionale Bauteile durch die Verwendung von ebenem oder geschlitztem Schaum herstellbar
Anwendungsbereiche
Beispiel Windenergie-Rotorblätter: Die vorgestellte Methode eignet sich besonders zur Verstärkung der Klebeverbindung zwischen den Scherstegen (spar caps) und den Holmkappen (shear webs) im Bereich des Flügelkörpers. Aber auch die Verklebungen an der Flügelhinterkante können mit der erfindungsgemäßen Methode verstärkt werden. Hierbei könnten die zwei zu verbindenden Halbschalen mit Verstärkungsstiften versehen werden, welche beim Verkleben der Halbschalen ineinandergreifen. Durch die Verzahnung entstünde eine dreidimensional verstärkte Fügestelle, die auch dreidimensionalen Belastungen wie Schub und Scherung ausgesetzt werden kann. Die Faserschlaufen der Verstärkungsstifte können bereits während der Herstellung der Halbschalen, im textilen Stacking-Prozess, automatisiert in definierte Bereiche eingebracht werden. Im gesamten Bauteil entsteht somit gleichzeitig eine Z-Verstärkung, eine Verbindung zwischen den einzelnen textilen Lagen und speziell den Sandwich-Lagen. Durch eine derartige interlaminare Verbindung lassen sich die Festigkeitseigenschaften eines Bauteils, speziell solche gegenüber Lastwechseln mit Durchbiegungen, bei denen die Lagen gegeneinander auf Schub beansprucht werden, nachweislich verbessern.
Beispiel Flugzeugbau: Ähnlich den Rotorblatt-Verstärkungen kann die vorgestellte Methode auch zur Verstärkung struktureller Verklebungen im Bereich Flugzeugflügel, vor allem im Bereich der Holme und Rippen, genutzt werden. Innerhalb des Flugzeugrumpfes ist eine Anwendung in allen Bereichen denkbar, in denen lange Strukturbauteile, wie z. B. Längsversteifungen (Stringer) zum Einsatz kommen.
Beispiel Bauwesen: Lange Trägerelemente aus faserverstärkten Kunststoffen könnten mit der Methode verstärkt werden. Auch eine Kombination mit anderen Baustoffen wie z. B. Beton ist denkbar, um auf diese Weise eine kraftschlüssige Verbindung herzustellen. Durch die Verankerungsstifte kann beispielweise verhindert werden, dass der Beton beim Trocknen durch Schrumpfung den Kontakt zur Kunststoff-Komponente verliert. Eine mögliche Anwendung wären mit Beton gefüllte Tragwerkselemente mit faserverstärkter Kunststoffhülle.
Hintergrund
Für die Verbindung zweier faserverstärkter Festkörper miteinander werden nach heutigem Stand der Technik Kleb- oder Nietverbindungen genutzt.
Problemstellung
Diese Verbindungen, insbesondere die Klebverbindungen, werden meist durch eine Oberflächenbehandlung mindestens einer der beiden Komponenten unterstützt, was eine Schädigung des Bauteils bereits während der Herstellung zur Folge haben kann. Im Fall auftretender Zugbelastungen kann eine genietete Verbindung sogar die Schwachstelle einer gesamten Bauteilgruppe sein.
Lösung
In diesem an der Universität Stuttgart entwickelten Verfahren werden Verankerungselemente (Stifte) zeitgleich mit der textilen Trägerstruktur im Bauteil angelegt. Mit einer Nadel, die das Fasermaterial führt, wird durch den textilen Preform in den Schaum (Trägermaterial) eingestochen (Figur 1A). Das Fasermaterial verbleibt beim Herausziehen der Nadel als Schlaufe im Schaum. Während der Imprägnierung des textilen Preforms dringt die Matrix nicht nur in das flächige Textil, sondern auch in die Einstichlöcher im Schaum ein und benetzt die Schlaufen.
Nach der Vernetzung des Matrixmaterials wird der Schaum gelöst und es entsteht ein Faserverbundbauteil – zwei- oder dreidimensional – mit integrierten Verbindungselementen (Figur 1B). Die Stifte ragen entweder in ein zu verfüllendes Bauteilinnere oder stehen aus der zweidimensionalen Ebene heraus. Durch die Verzahnung zweier gegenüberstehender Elemente kann der Formschluss innerhalb einer Fügestelle erreicht werden. Die Anzahl Stifte pro Flächeneinheit, ihre Größe, Ausrichtung und Anordnung sind flexibel einstellbar, so dass ein individuell an die Bauteilgruppe anpassbares Verbindungselement entsteht.
Die vorgestellte Methode eignet sich für alle Leichtbauanwendungen zur Verstärkung von Klebeverbindungen oder zur Kernverstärkung von äußeren Schichten auf inneren Kernen. Durch den Einsatz der Faserverankerungsstifte können solche Verbindungen signifikant verstärkt werden, vor allem bei langen, strukturbelasteten Bauteilen aus der Luft- und Raumfahrt und im Bereich Windkraftanlagen, aber auch in Automobilbau, Schiffsbau oder dem Bauwesen.