Gewebespezifisches ECM-Hydrogel-Hybridmaterial als passgenaues Implantat für die Behandlung umfangreicher Gewebsdefekte
Kurzfassung
Diese Technologie bildet die Grundlage für ein natives Wundgel, das auch tiefe und großflächige Wunden verschließen und durch gewebespezifische Zusammensetzung sowie hohe Bioaktivität effizient für deren Heilung sorgen könnte. Durch glykobiologische Modifizierungen des gewebsspezifischen Hydrogels entsteht ein passgenauer Wundverschluss, der in vielen Fällen eine Hauttransplantation ersetzen könnte.
Vorteile
- Hochverträgliches biologisches Material, das die Wundheilung mit körpereigenen Zellen fördert
- Konturdefekte korrigierbar
- Flexibel anpassbar durch individuell beladbare funktionelle Gruppen
- Wirkstoffe können eingebunden werden
Anwendungsbereiche
Diese innovative Weiterentwicklung stellt die Weichen für eine effektive Versorgung umfangreicher Gewebsdefekte wie Verbrennungen dritten Grades, chronischen Wunden, Verätzungen, usw.
Hintergrund
Wenn Hautverletzungen bis ins Unterhautfettgewebe (Subkutis) reichen, sind die Patienten letztendlich immer auf eine autologe Transplantation, also Eigenhauttransplantation, angewiesen. Dies hat für die Patienten zumeist weitreichende Folgen, bzw. stößt auch schnell an natürliche und nicht zuletzt ästhetische Grenzen.
Problemstellung
Die klinische Behandlung von tiefen und großflächigen Wunden, z. B. nach Verbrennungen, stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Herkömmliche Hydrogele sind synthetischer Natur und daher häufig nur bedingt verträglich.
Lösung
Im Vergleich zu herkömmlichen, synthetischen Hydrogelen basiert dieses Material auf einer ECM, die im Labor von patienteneigenen Zellen produziert wird. Basierend auf einer zum Patent angemeldeten Technologie zur Herstellung einer extrazellulären Matrix (engl. Extracellular matrix; ECM) mit spezifisch adressierbaren funktionellen Gruppen ("clickECM") wurde nun die Grundlage für ein natives Wundgel geschaffen, das auch tiefe und großflächige Wunden verschließen und durch eine gewebespezifische Zusammensetzung sowie eine hohe Bioaktivität effizient für deren Heilung sorgen könnte.
Während der Synthese der Matrix durch patienteneigene Zellen erfolgt der Einbau funktioneller Gruppen in diese Matrix in Form einer glykobiologischen Modifizierung, die später je nach Anwendungszweck genutzt bzw. ausgestattet werden kann.
An die ECM gebundene, photovernetzbare Biopolymere bspw. könnten nach optimaler Ausfüllung des Wundbettes für ein gezieltes Gelieren des Hydrogels und damit Verschließen der Wunde sorgen (passgenauer Wundverschluss). Durch die Flexibilität des Materials wird so ggf. auch die Behandlung von Konturdefekten möglich. Weiterhin kann diese funktionalisierte Matrix mit verschiedenen Wirkstoffen „beladen“ werden, die bspw. die Wundheilung fördern oder antimikrobiell wirken. Das neue Biomaterial konnte bereits erfolgreich mit anderen Hydrogelen gemischt und zu stabilen 3D-Modellen aufgebaut werden. Diese waren in ersten Versuchen zellverträglich und biokompatibel.
In jüngsten Studien (siehe Nellinger et al. 2021 unten) konnte weiterhin gezeigt werden, dass es möglich ist, eine aus Zellen stammende ECM durch Glyko-Engineering mit Dienophilen zu modifizieren und über eine IEDDA-Reaktion ein bioaktives Enzym einzubauen. Weder wiesen dabei die verwendeten Monosaccharid-Derivate zytotoxischen Effekte auf, noch waren zytotoxische Katalysatoren für die Funktionalisierung nötig. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass auch die funktionellen Gruppen selbst keine Auswirkungen auf das grundlegende Zellverhalten wie Überleben, Stoffwechselaktivität und Proliferation haben.
Damit kann eine ECM künftig mit Wachstumsfaktoren, Vernetzern und anderen Molekülen ausgestattet werden und wird damit zu einem neuen Biomaterial, das ein großes Potenzial für eine Vielzahl Anwendungen im Bereich „Tissue-Engineering“ und der Regenerationsmedizin haben dürfte
Publikationen und Verweise
Nellinger, S., Rapp, M.A., Southan, A., Wittmann, V. and Kluger, P.J. (2021); “An Advanced ‘clickECM’ That Can be Modified by the Inverse-Electron-Demand Diels-Alder Reaction.” https://doi.org/10.1002/cbic.202100266
Keller, Silke & Wörgötter, Katharina & Liedek, Anke & Kluger, Petra & Bach, Monica & Tovar, Günter & Southan, Alexander (2020); “Azide-Functional Extracellular Matrix Coatings as a Bioactive Platform for Bioconjugation.” https://doi.org/10.1021/acsami.0c04579
Keller, Silke & Bakker, Tomke & Kimmel, Benjamin & Rebers, Lisa & Götz, Tobias & Tovar, Günter E. M & Kluger, Petra & Southan, Alexander. (2020); “Azido‐functionalized gelatin via direct conversion of lysine amino groups by diazo transfer as a building block for biofunctional hydrogels.” https://doi.org/10.1002/jbm.a.37008
Nellinger, Svenja & Keller, Silke & Southan, Alexander & Wittmann, Valentin & Volz, Ann-Cathrin & Kluger, Petra (2019). „Generation of an azide-modified extracellular matrix by adipose-derived stem cells using metabolic glycoengineering.” https://doi.org/10.1515/cdbme-2019-0099
S.M. Ruff, S. Keller, D.E. Wieland, V. Wittmann, G.E.M. Tovar, M. Bach, P.J. Kluger (2017),“clickECM: Development of a cell-derived extracellular matrix with azide functionalities” https://doi.org/10.1016/j.actbio.2016.12.022