Patente für computerimplementierte Erfindungen

Bild1:

01.05.2007 – Computerimplementierte Erfindungen sind Erfindungen, zu deren Ausführung ein Computer, ein Computernetz oder eine sonstige programmierbare Vorrichtung eingesetzt wird. Solche Erfindungen bilden die unabdingbare Grundlage für viele Anwendungen, z.B. in der Mobilfunktechnik, medizinischen Bildgebung (NMR- und CT-Untersuchungen), Automobiltechnik (ABS, elektronische Motorensteuerung und Navigationstechnik) und Unterhaltungselektronik (DVD und DVB-T). Da sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, ist ihre wirtschaftliche Bedeutung groß. Entsprechend wichtig ist für Erfinder und deren Arbeitgeber ein angemessener Schutz für diese Entwicklungen.

 

Steigende Zahl von Patenten im Bereich „Datenverarbeitung“
Ein Schutz für Computerprogramme, d.h. von Software in besonderer Ausgestaltung von computerimplementierten Erfindungen, ist ohne großen Aufwand mittels des europäisch harmonisierten Urheberrechts möglich. Dieser Schutz jedoch erstreckt sich lediglich auf die konkrete Ausgestaltung, d.h. in der Regel den konkret programmierten Code. Nach § 69a UrhG sind zugrundeliegende Grundsätze und Ideen ausdrücklich nicht geschützt.
Ein solcher Schutz für grundlegende Prinzipien und Ideen ist jedoch durch das Patentrecht möglich. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Zahl der Patentanmeldungen im Bereich „Datenverarbeitung“ (nach der Internationalen Patentklassifikation die IPC-Klasse G06) überproportional steigt: seit dem Jahr 2000 um über 75 % im Vergleich zu der ca. 34 % betragenden Zunahme der europäische Anmeldezahlen insgesamt (s. Bild 1).


Unabdingbar: der technische Charakter
Europäische Patente werden nach der Rechtsprechung der Technischen Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes (EPA) aufgrund Art. 52 EPÜ (Europäisches Patentübereinkommen) lediglich für Erfindungen erteilt, die einen technischen Beitrag zum Stand der Technik liefern, d.h. die Erfindung muss sich in technischer Weise von dem bekannten Stand der Technik unterscheiden. Somit muss die konkret geleistete Entwicklung einen technischen Charakter aufweisen, neu sein und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
Der technische Charakter einer computerimplementierten Erfindung kann z. B. durch folgende Vorteile begründet sein:

  • schnellere Programmausführung,
  • bessere Datentransferraten,
  • höhere Effektivität eines digitalen Filters,
  • verbesserte Mensch-Maschinen-Interaktion (z.B. einer graphischen Benutzerschnittstelle (GUI)) oder auch
  • verbesserte Bildauflösung oder Bildauswertung.


Beispiel aus dem TLB-Portfolio: Verfahren zur Atemwegsdiagnostik
Eine von TLB patentierte computerimplementierte Entwicklung aus der Universität Freiburg gibt ein gutes Beispiel für den technischen Charakter.

Das Verfahren ermöglicht die automatisierte Auswertung und Formerkennung von medizinischen Expirogrammen. Unter einem Expirogramm ist der Kurvenverlauf der Gaskonzentration des Atemgases Kohlendioxid gegenüber dem Atemvolumen während einer Ausatmung zu verstehen. Die Erfindung beinhaltet eine mathematische Methode zur vollständigen und außerordentlich exakten Beschreibung und Interpretation dieser realen Atemgas-Konzentrationsverläufe. Als Grundlage dazu dient ein speziell hierfür entwickelter Algorithmus.

Mittels des erfindungsgemäßen computergestützten Auswerteverfahrens lassen sich erstmals Expirogramme Atemzug für Atemzug numerisch zuverlässig und reproduzierbar auswerten. Durch die Analyse der Variationen können klinisch und diagnostisch relevante (und zum Teil auch neuartige) Messgrößen der Lungenfunktion und -perfusion erhalten werden. Diese Größen lassen Aussagen über den Zustand und die Funktion des Atmungsapparates eines Patienten in Echtzeit zu und ermöglichen somit unter anderem eine schnelle und effiziente Behandlung des Patienten. Desweiteren ist eine Zustandsanalyse der Atemwege aus der Spontanatmung, d.h. ohne spezielle Atemmanöver erzielbar.

Die computerimplementierte Erfindung kann entweder in einem speziellen Messgerät, aber auch als Ergänzung in verschiedenen medizintechnischen Produkten mit der Option zur Atemgasmessung, insbesondere im Bereich der Anästhesie- bzw. Intensivmedizin sowie in der Pneumologie und Allergologie, der Pädiatrie und Geriatrie sowie in der Sportmedizin und Sportphysiologie vorteilhafte Anwendung finden. Eine entsprechend den medizinischen Anforderungen gestaltete Benutzeroberfläche erleichtert dem Arzt die Diagnose (<link http: tlb.server.de servlet is kurzinfo_expirogramme.pdf>Technologiebeschreibung und <link http: commercialisation.tlb.de video expirogramm.mov _blank>Patentvisualisierung (QuickTime Movie 37,3 MB).

TLB hat weitere computerimplementierte Hochschulerfindungen aus unterschiedlichsten Fachbereichen national und international zum Patent angemeldet, wie z.B. das "Trusted Handy", ein Verfahren zum Überprüfen und Authentifizieren von übermittelten Daten (<link http: commercialisation.tlb.de video trustedhandy _blank>Kurzvideo Trusted Handy).

Im Hinblick auf eine erfolgreiche Vermarktung von computerimplementierten Erfindungen stellen Patentrechte eine starke Stütze dar, indem sie Erfindern als auch Unternehmen bzw. Hochschulen eine zusätzliche Monopolstellung und Lizenzierungsmöglichkeiten eröffnen.

Bild 2: Deutsche Patentanmeldung einer Atemwegsdiagnostik. Die Erfindung ermöglicht erstmals, Expirogramme Atemzug für Atemzug aufzunehmen und zuverlässig auszuwerten.

(Beitrag von Patentanwalt Dr. Daniele Schiuma, Dipl.-Phys., Müller-Boré & Partner)