Für eine antibiotikafreie und artgerechte Hühnerhaltung

Eine speziell entwickelte Anlage zur Kontrolle der Roten Vogelmilbe ermöglicht artgerechte Hühnerhaltung ohne Antibiotikaeinsatz (Bild:istockphoto.com/mophojo)

12.01.2011 – Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt, dass in Supermärkten angebotenes Hähnchenfleisch trotz Antibiotika-Behandlung mit antibiotikaresistenten Krankheitskeimen wie dem gefürchteten Krankenhauskeim MRSA  belastet sein kann (Bericht vom 9. Januar 2012). Zurückzuführen ist diese Belastung der Lebensmittel auf den unsachgemäßen Antibiotika-Einsatz in der industriellen Massentierhaltung, der zur Verhinderung von Infektionen vorbeugend durchführt wird. Der Einsatz von Antibiotika wird grundsätzlich als problematisch gesehen, und so ist auch eine aktuelle Gesetzesinitiative der Bundesregierung bestrebt, den Antibiotika-Einsatz in der Massenhaltung deutlich einzudämmen.


Die Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH in Karlsruhe bietet als Agentur für Erfindungs- und Patentmanagement zwei Technologien an, die es Geflügelzüchtern ermöglichen, dem Antibiotika-Problem zu begegnen: eine spezielle Anlage zur Parasitenkontrolle bei Geflügelzuchten und eine Super Resolution Mikroskopie für das Qualitätsmanagement.


„Beide Erfindungen haben das Potenzial, die Geflügelindustrie für die aktuellen Anforderungen des Gesetzgebers und der Verbraucher fit zu machen. Sie helfen, eine antibiotikafreie und zugleich artgerechte Hühnerhaltung zu realisieren und bieten eine Qualitätssicherung, die den Nachweis von Krankheitskeimen und verdeckter Antibiotikabehandlung zum Ziel hat“, so die Innovationsmanagerin Dr. Andrea Nestl, die für die Patentierung und Kommerzialisierung der Erfindungen verantwortlich ist. Als Mitglied des Südtiroler Bauernbundes sieht Dr. Nestl vor allem die Vorteile für die Geflügelzüchter, die von der kostengünstigen Nachrüstung in den Betrieben und den besseren Absatzmöglichkeiten der Geflügelprodukte durch gesteigerte Kundenakzeptanz profitieren.


Mit der Erfindung der speziellen Anlage zur Parasitenkontrolle für Geflügelzuchten, wird auf technischem Wege das in der Massenhühnerhaltung weitverbreitete Problem des Befalls der Roten Vogelmilbe gelöst, die als Überträgerin von Erregern wie Salmonellen und anderen Krankheitserregern gefürchtet ist. Die Rote Vogelmilbe dient als Zwischenwirt für Bakterien, so dass ein Milbenbefall häufig mit weiteren Erkrankungen einhergehen kann. Befallene Tiere legen weniger Eier, fressen mehr, haben eine verlangsamte Entwicklung und können mit gefährlichen Keimen infiziert werden. Akute Blutarmut durch starken Befall führt häufig zum Tod. Die Milbe kann auch auf den Hühnerhalter überspringen und so betrifft der Parasitenbefall letztlich alle, Hühner, Halter und Verbraucher.


Bei der Anlage zur Parasitenkontrolle für Geflügelzuchten handelt es sich um einfach einbaubare spezielle Sitzstangensysteme, die von einem Erfinderteam um Prof. Werner Bessei an der im Agrarbereich renommierten Universität Hohenheim entwickelt wurden. Sie ermöglicht eine artgerechte Haltung, die Milben ohne Einsatz von Akariziden oder anderen gesundheitsbedenklichen Lösungen vernichtet und damit auch den Einsatz von Antibiotika, gegen von Milben übertragenen Krankheiten, überflüssig macht.


Als Milben-Fallen wurden spezielle, einfach nachrüstbare Sitzstangen mit Eintrittsöffnungen und Hohlräumen für die Rote Vogelmilbe entwickelt, die sich gerne tagsüber in Hohlräume nahe ihrer Opfer zurückzieht. Das dort enthaltene Mittel lässt sich phasenweise aktivieren und emittiert dann Wärmestrahlung, welche die Parasiten abtötet, nicht aber den Hühnern die Füße verbrennt. In der Erfindung sind die Kompetenzen von Prof. Werner Bessei als Kenner der Roten Vogelmilbe und dessen Bruder Dr. Herbert Bessei als Inhaber des Ingenieurbüros FuseXpert und ebenfalls Mitglied im Erfinderteam, ideal verknüpft.


Eine zweite, ebenfalls von Dr. Andrea Nestl vom TLB betreute Erfindung dient dem Qualitätsmanagement, in dem eine minutenschnelle Kontrolle einer ganzen Serie von  Erregern, sowie der Antibiotikanachweis im Geflügelfleisch ermöglicht wird. Dieses wirtschaftlich wichtige Qualitätsmanagement ist kurzfristig mit einer neuen Technologie spezifisch auf die Bedürfnisse der Geflügelindustrie anpassbar.
Zum Einsatz kommt hier die sogenannte Super Resolution Mikroskopie, die von Professor Christoph Cremer (Universität Heidelberg/imb Mainz) entwickelt wurde. Mit spezifischen Sonden lassen sich beispielsweise MRSA-Erreger minutenschnell auf Abstrichen in einem hochauflösenden Fluoreszenzmikroskop identifizieren; ein deutlicher Fortschritt gegenüber der üblichen tagelangen Kultivierung auf Nährplatten bis zum sicheren Erregernachweis. Ein ebenfalls von der Arbeitsgruppe um Professor Cremer entwickeltes Sondenverfahren ermöglicht die Herstellung einer ganzen Serie von Bakteriensonden, die gleichzeitig auf die Probe gegeben werden können.


Die Entwicklung von Strategien zur Patentierung und Einführung der Erfindungen in den Markt liegt in den Händen der TLB-Innovationsmanagerin Dr. Andrea Nestl, die deren Bedeutung aufgrund des weltweit in den Hühnerhaltungen lauernden kleinen Parasiten und den damit verbundenen Folgeinfektionen als sehr hoch einschätzt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass seit 2010 die Käfighaltung und Deutschland verboten ist und seit dem 1. Januar 2012 Hühner in der EU nicht mehr in klassischen Legebatterien gehalten werden dürfen, werden wirtschaftliche Methoden zur artgerechten Haltung zunehmend wichtig. Zudem muss dem Schutz von Umwelt und Verbrauchern gedient werden und der Agrarindustrie die Möglichkeit aufgezeigt werden, ihre Qualitätsstandards trotz strengerer Vorschriften weiterhin halten zu können.
(Bild:istockphoto.com/mophojo)
Kontakt: Dr. Andrea Nestl, anestl@tlb.de